Fremde Orte waren und sind für uns Menschen faszinierend. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert wurden der neu aufkommenden Mittelschicht und der Landbevölkerung exotische Bilder mit einem Guckkasten zur Unterhaltung und Bildung vorgeführt. Der Guckkasten und seine Grafiken gehörten so zu den ersten Massenmedien. 

Die Ausstellung im Grafischen Kabinett zeigt eine Auswahl der knapp 2.400 Guckkastenblätter der Sammlung des Münchners Joachim von Prittwitz und Gaffron, die die Kunstsammlungen & Museen Augsburg 2020 als Schenkung der Familie erhielten.

Guckkasten mit zwei Linsen, Holz, 1. Hälfte 19. Jahrhundert

Der Guckkasten war eines der ersten Massenmedien

Im Inneren des hölzernen Guckkastens konnten einzelne Grafiken in perspektivischer Darstellung täuschend echt illusionistisch präsentiert werden. In den Holzkasten wurde eine Grafik eingelegt, die durch eine runde Öffnung betrachtet werden konnte. Ein Spiegel und eine Linse sorgten für die Illusion von Dreidimensionalität. Die Grafiken zeigten Städte der Welt, aber auch besondere Ereignisse. Als Betrachtungsgerät fremder Welten erfreute sich der bereits in der Renaissance entwickelte Guckkasten, vor allem seit dem 18. Jahrhundert zunehmender Beliebtheit und Bekanntheit. 

Sogenannte "Guckkästner" oder "Guckkastenmänner" zogen mit ihren Guckkästen von Stadt zu Stadt und präsentierten sie der Bevölkerung auf Jahrmärkten. So prägte der Guckkasten und die darin dargestellten Grafiken häufig das Bild der Welt von breiten Bevölkerungsschichten. 

Die Grafiken zeigten die Sehenswürdigkeiten der Welt, exotische Länder, Tagesereignisse, aber auch Militär und Schlachten zu Wasser und Land bis hin zu Katastrophen wie Erdbeben und Großbränden. Häufig trugen die Bilder erklärende Unterschriften, zum Teil in verschiedenen Sprachen. 

Guckkastenbilder entsprachen einem genormten Maß und waren meist grob und in kräftigen Farben koloriert. Details, wie Fenster wurden ausgestanzt und ausgeschnitten und mit farbigem transparenten Papier oder bunten Stoffen hinterlegt. 

Stadtansichten

Das Heidelberger Schloss, Stecher: Balthasar Friedrich Leizel, Verleger: Kaiserlich Franziskische Akademie, Augsburg 1770/1795, © Kunstsammlungen & Museen Augsburg
Festung Pleißenburg in Leipzig, Stecher: Balthasar Friedrich Leizel, Verleger: Georg Balthasar Probst, Augsburg 1766/1790 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg
Die Kuppel und der Turm von Pisa, Stecher: unbekannt, Verleger: Paquier, Paris 2. H. 18. Jh. © Kunstsammlungen & Museen Augsburg
Wien, Stecher: J. Damers, Verleger: John Boydell, London 2. H. 18. Jh. © Kunstsammlungen & Museen Augsburg

Exotische Orte

Madras in Indien, Stecher: Bergmüller, Verleger: Kaiserlich Franziskanische Akademie, Augsburg 1770 - 1795 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.
Konstantinopel (heute Istanbul), Stecher: unbekannt, Verleger: Georg Balthasar Probst, Augsburg 1766/1790 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.
Athen, Stecher: unbekannt, Verleger: Bowles & Carver, London 1793/1832 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.
Der Kekia-Tempel in China, Stecher: unbekannt, Verleger: Jacques Chéreau, Paris 1740/1820 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.

Besondere Ereignisse und Katastrophen

Das Feuer am Bonner Residenzschloss vom 15. Januar 1777, Stecher: Balthasar Friedrich Leizel, Verleger: Kaiserlich Franziskische Akademie, Augsburg 1777/1795 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.
Die Explosion in Leiden vom 12. Januar 1807, Stecher: unbekannt, Verleger: Dominikus Fietta in Kriegshaber, Augsburg 1807 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.
Das Hochwasser in Prag vom 27. Februar 1784, Stecher: Jean Benoit Winkler, Verleger: Kaiserlich Franziskische Akademie, Augsburg 1784/1795 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.
Die erste bemannte Gasballonfahrt mit einer Charlière am 1. Dezember 1783, Stecher: unbekannt, Verleger: Kaiserlich Franziskische Akademie, Augsburg 1784/1795 © Kunstsammlungen & Museen Augsburg.

Augsburg: Die Bilderfabrik Europas

Im 18. Jahrhundert wurden Guckkastenbilder in vier europäischen Städten hergestellt: London, Paris, Bassano und Augsburg. Die Stadt Augsburg übernahm ab ca. 1765 die aus London und Paris kommende Modewelle des Guckkastenbildes, übertraf qualitativ schnell die Produktionen im Ausland und wurde so zum Zentrum der Guckkastenproduktion in Europa. 

Es gab fünf Augsburger Kupferstecher und Verleger, die sich zwischen 1765 und 1830 mit der Produktion von Guckkastenbildern befassten: Georg Balthasar Probst, die Kaiserlich Franziskische Akademie, Marx Abraham Rupprecht, Dominikus Fietta und Jospeh Carmine. Während Augsburger Verleger wie Georg Balthasar Probst und die Kaiserlich Franziskische Akademie durchaus Wert auf Qualität hinsichtlich richtiger Perspektive und Kolorierung legten, wurde bei anderen Verlegern, wie Dominikus Fietta nicht so darauf geachtet, da die Bilder meist günstig produziert werden mussten. 

Joachim von Prittwitz und Gaffron, Privataufnahme

Der Sammler: Joachim von Prittwitz und Gaffron (1931-2021)

Joachim von Prittwitz und Gaffron wurde am 9. Januar 1931 in Leipzig geboren. Nach einer vom Krieg geprägten Jugendzeit, absolvierte er zunächst eine Ausbildung in der Textilbranche bevor er Jura studierte. Neben seiner juristischen Tätigkeit bei der Münchner Lebensversicherung und später als Personalchef bei der Generali München war von Prittwitz und Gaffron auch als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht München tätig. Zu seiner großen Familie zählen vier Töchter und vier Stiefkinder aus zwei Ehen, sowie inzwischen 10 Enkel. 

Seine Reiseleidenschaft brachte Joachim von Prittwitz und Gaffron in alle Länder der Welt, nach Indien zog es ihn sogar 50 Mal. Bereits in der Ausbildung hatte er die Gelegenheit Australien und Neuseeland zu bereisen. Für das Reiseunternehmen Marco Polo bzw. Studiosus Reisen, das ein Kommilitone von ihm gegründet hatte, war er gleich zu Anfang als Reisebegleiter unterwegs. Diese Begeisterung für ferne Länder spiegelt auch seine Sammlung von knapp 2.400 Guckkastenbildern, die er über einen Zeitraum von 50 Jahren zusammentrug. 

Joachim von Prittwitz und Gaffron verstarb im Alter von 90 Jahren im November 2021 in seiner Wahlheimat München. 

GRAFISCHES KABINETT
Maximilianstraße 48
D–86150 Augsburg
T +49 821 324 41 02

Impressum:
Stadt Augsburg
Kunstsammlungen und Museen Augsburg
Direktor: Dr. Christof Trepesch
Strategische Kommunikation: Monika Harrer-Jalsovec M.A.
Kuratorin der Ausstellung: Sarah Klein M.A.
Umsetzung: Susanna Friedla M.A.
Keyvisual: Waldmann & Weinold, Kommunikationsdesign

Bildnachweis: © Kunstsammlungen und Museen Augsburg