Barocke Spiegelung
versus moderner
Nero Assoluto

Der Festsaal des Schaezlerpalais ist ein opulentes Gesamtkunstwerk. Vollendet im Jahr 1770, zeigt sich hier die künstlerische Dekorationsfülle bedeutender Maler, Stukkateure und Bildschnitzer der damaligen Zeit. Diesem Gesamtkunstwerk der Rokokozeit nähert sich der Bildhauer Norbert Schessl mit seiner "Übergangslösung" ganz unspektakulär, leise und still.

Norbert Schessls Intervention im Festsaal ist eine temporäre „Übergangslösung“.
Den üppigen Roccaillen, vergoldeten Stukkaturen, Malereien und sonstigen Dekorationen setzt er einfache schwarze Granitplatten entgegen, die er auf dem Parkettboden des Festsaals arrangiert. Ihre hochglänzende spiegelnde Oberfläche mischt sich dabei in die dem Saal zugrunde liegende Auflösung der Wandflächen ein. Barocke Spiegelung versus nero assoluto, so die italienische Bezeichnung für den Granit.

Der Bildhauer spielt mit den spiegelnden schwarzen Flächen als Reflexionsmedium.
Die 26 schwarzen Granit-Platten mit den Maßen 60 x 30 cm sind bei genauerer Betrachtung zudem mit Zeichnungen versehen, feinen filigranen Handzeichnungen, die Schessl mit dem Meißel in die glänzenden Oberflächen gleichsam „eingeritzt“ hat. Seine Platten sind somit ein Dazwischen: Sie liegen auf dem Boden, entmaterialisieren diesen und verweisen zugleich aufgrund ihrer Reflektion auf die Auflösungskraft des Lichtes. Dennoch sind sie auch steingewordene Grafiken, die die persönliche Handschrift Schessls dokumentieren. Interessanterweise sind auch die nicht sichtbaren Unterseiten der Platten mit Zeichnungen versehen, jeweils dasselbe Motiv nur spiegelverkehrt. 

Die Unterseiten beinhalten so die verborgene, versteckte Dimension des Kunstwerks.
Schessls Stein-Zeichnungen sind aus der Beschäftigungen mit Bill Violas Videoinstallation „Three Women“, die 2019 in der Moritzkirche präsentiert wurde. Sie zeigt drei Frauen, die einen Wasservorhang durchschreiten. Die Frauengestalten, vor allem ihre Hände, hält Schessl in spontanen Zeichnungen fest, "verewigt" sie in Stein. 

Nichts von seiner Installation ist unverrückbar und fest – nichts ist von Dauer.
Insofern ist Norbert Schessls Intervention – die ausdrücklich auch betreten werden darf – weitaus mehr als eine bloße „Übergangslösung“. Sie ist ein stabiles, Dauerhaftigkeit vermittelndes Kunstwerk, das dennoch einem steten Wandel unterworfen ist: In regelmäßigen Besuchen im Schaezlerpalais verändert der Künstler selbst die Plattenkonstellation und arrangiert sie neu.

„Hafner spielt Schessl“ – Musik zur „Übergangslösung“
Norbert Schessl schreibt die Texte, sein Freund Johannes Hafner vertont sie und nimmt sie begleitet von Gitarre auf. Eine CD ist in Vorbereitung. Und auch im Festsaal ist eine Aufführung geplant.

„Zum Fliegen
genügen mir
schwere Schuhe."

Die Durchlöcherung
der homogenen Plattenlage,
ein Verweis auf die Flüchtigkeit
des Übergangs.

2018 erhielt Schessls Werk „Was für ein Anfang“ den Gersthofer Kunstpreis Bildende Kunst. Ebenfalls in diesem Jahr war seine Präsentation "Einfach schieben" in der Neuen Galerie im Höhmannhaus zu sehen. Der 1965 in München geborene Norbert Schessl ist Steinmetz, Bildhauer und Pädagoge am Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen. An der Akademie der Bildenden Künste München hat er freie Bildhauerei bei Hans Ladner und bei James Reineking studiert. Er lebt und arbeitet in Gaulzhofen bei Augsburg. 

„Einfach Gehen
und Wahrnehmen“

SCHAEZLERPALAIS
Maximilianstraße 46
D-86150 Augsburg
T +49 (0) 821 324 41 02
besucherservice-kusa@augsburg.de

ÖFFNUNGSZEITEN
Di–So 10–17 Uhr

Impressum:
www.augsburg.de
Kunstsammlungen & Museen Augsburg
Direktor: Dr. Christof Trepesch
Leitung strategische Kommunikation: Monika Harrer-Jalsovec M.A.
Website: Waldmann & Weinold, Kommunikationsdesign

Bildnachweis:
© Norbert Schessl