Den Kunstsammlungen und Museen Augsburg ist es im Jahr 2021 gelungen, 153 Hinterglasgemälde aus der bedeutenden Sammlung Gisela und Prof. Wolfgang Steiner zu erwerben. Die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Kulturstiftung der Länder und die Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien waren die drei maßgeblichen Förderer des Ankaufs. Unterstützt wurden sie vom Freistaat Bayern, der Stadt Augsburg sowie einem privaten Sponsor. Die Ausstellung „Vorsicht, zerbrechlich“ präsentiert rund 100 Hinterglasbilder dieses Konvoluts in den historischen Räumen des Schaezlerpalais (2. OG).

Weitere 57 Hinterglasbilder aus der Sammlung Steiner sind im Rahmen der Dauerpräsentation „Der Blick dahinter“ im Erdgeschoss zu besichtigen.

Stillleben mit Artischocke, Schweiz, Maria Anna Franziska Pfuffer von Altishofen © Kunstsammlungen & Museen Augsburg, Sammlung Steiner

Die Hinterglasmalerei - "rückwärts" gemalt

Der Begriff „Hinterglasmalerei“ umschreibt die Technik, ein Motiv auf die Rückseite eines gläsernen Bildträgers aufzutragen. Da die Betrachtung von der Vorderseite durch die Glasplatte hindurch erfolgt, wird die Darstellung im Vergleich zur Tafelmalerei „rückwärts“ gemalt.

Hierin besteht die besondere Schwierigkeit, denn zuerst wird der Vordergrund mit Details, Konturen- und Umrisslinien angelegt, erst danach folgen Mittelgrund (z. B. Gewänder) und Hintergrund (Landschaft, Himmel etc.). Anders als bei der Tafelmalerei können während des Malprozesses daher keine Korrekturen vorgenommen werden. Zudem erscheint das Motiv für den Betrachtenden seitenverkehrt, was bei der Konzeption der Komposition berücksichtigt werden muss.

Die Technik der Hinterglasmalerei wurde bereits in der Antike zur Dekoration von Schmuck und Gebrauchsgegenständen angewandt. Ihre Blütezeit erlebte sie jedoch in der Zeit von 1550 bis 1850. Durch die damalige Kostbarkeit des Rohmaterials Glas waren die Hinterglasbilder des 16. Jahrhunderts noch einem kleinen, wohlhabenden Publikum vorbehalten. Dies änderte sich jedoch im Laufe des 17. Jahrhunderts: Glas wurde fortschreitend preiswerter und so fanden Hinterglasbilder als Wandschmuck bald Verbreitung in den Häusern des Bürgertums und später in der Volkskunst des 19. Jahrhunderts.

Als Vorlagen für ihre Arbeiten nutzten die Glasmaler meist grafische Arbeiten wie Kupferstiche und Radierungen. Durch die Anwendung verschiedener Glasmaltechniken, die individuelle Farbgebung sowie ideenreiche Variationen gängiger Bildmotive schufen die Künstler auf diese Weise neue, eigenständige Kunstwerke.

Südliche Pastorale, Augsburg, 3. Viertel 18. Jahrhundert

Entwicklung vom 16. bis ins 19. Jahrhundert

Die frühesten in der Ausstellung gezeigten Arbeiten stammen aus Tirol und dem Veneto des 16. Jahrhunderts. Dort stand in der Zeit um 1550 erstmals farbloses Flachglas als Bildträger für Hinterglasgemälde zur Verfügung. Während diese früheren Hinterglasbilder allesamt reli giöse Motive zeigen, traten im 17. und 18. Jahrhundert profane Sujets wie Stillleben oder Genreszenen hinzu, die sich gleichzeitig auch in anderen Kunstgattungen großer Beliebtheit erfreuten.

Im 19. Jahrhundert fand die Hinterglasmalerei vor allem in der Volkskunst Verbreitung: Kleinformatige Bilder gaben die Gnadenbilder berühmter Wallfahrtsorte wieder und dienten so als Andenken an Pilgerfahrten. Schutz und Hilfe versprachen wiederum die Darstellungen von Namenspatronen, die vom 18. bis ins 19. Jahrhundert in Serie produziert wurden.

"S. Georgius", Seehausen/ Staffelsee, Alois Paul Gege

Augsburg war Zentrum für Hinterglasmalerei

Augsburg war im 18. Jahrhundert eine der bedeutendsten Produktionsstätten für Hinterglasmalerei. Begünstigt durch die Bedeutung der Stadt als Zentrum druckgrafischer Erzeugnisse, stand den Hinterglasmalern vor Ort ein reicher Vorlagenschatz zur Verfügung.

Die typischen Augsburger Hinterglasmalereien bestehen aus lasierenden Ölfarben in zartem Kolorit mit gedämpften Brauntönen und vorwiegend rötlichen Kontrasten. Eine besondere Rolle nehmen dabei die Stadtveduten Johann Wolfgang Baumgartners (1702–1761) ein, die in einer aufwendigen Farbradierungstechnik entstanden.

Weitere Zentren der Hinterglasmalerei befanden sich in der Schweiz und am Staffelsee.

Piazetto San Marco II, Augsburg, Johann Wolfgang Baumgartner

Veranstaltungen

Turnusführungen

Jeden Samstag, 14 Uhr


Mit freundlicher Unterstützung

SCHAEZLERPALAIS
Maximilianstraße 46
D–86150 Augsburg
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Impressum:
Stadt Augsburg
Kunstsammlungen & Museen Augsburg
Direktor: Dr. Christof Trepesch
Strategische Kommunikation: Monika Harrer-Jalsovec M.A.
Kuratorin der Ausstellung: Julia Quandt M.A.
Redaktion: Susanna Friedla M.A.
Website & Ausstellungsgrafik: Waldmann & Weinold, Kommunikationsdesign

Bildnachweis: © Kunstsammlungen & Museen Augsburg, Sammlung Steiner und wie angegeben