Was war Matthäus Schwarz für ein Typ?
Matthäus Schwarz –
Der Modeblogger aus dem 16. Jahrhundert
An seinem 23. Geburtstag, am 20. Februar 1520, ließ der Hauptbuchhalter Jakob Fuggers des Reichen eine Pergamenthandschrift anlegen, die eine der ungewöhnlichsten Schöpfungen der Renaissance wurde. Dieser Mann war Matthäus Schwarz (1497–1574).
In einem Buch von der Größe eines Smartphones schilderte er sein Leben als Geschichte seiner Kleidung. Er wollte sehen, wie sie sich im Laufe der Zeit veränderte. Schwarz’ "klaidungsbuechlin" ist die ganz persönliche Geschichte eines Aufsteigers, der in oft extravaganten, stets kostbaren Kleidern am gesellschaftlichen Leben in Augsburg und andernorts teilnahm.
Vor mehr als 500 Jahren entstanden, ist sein Tagebuch verblüffend modern. Schwarz war einer der ersten, dem seine Persönlichkeit und sein individueller Modegeschmack – sein Style – so wichtig waren, dass er sie in Bild und Text mit der Nachwelt teilen wollte. Er war damit ein Vorläufer heutiger Modeblogger.
Signet: Devise des Matthäus Schwarz
OMNE QVARE SVVM QVIA
(Jedes Warum hat sein Weil)
Matthäus Schwarz war ein Sohn des Gastwirts Ulrich Schwarz und hatte 30 Geschwister, die auf diesem Votivbild abgebildet sind.
Hans Holbein d. Ä., Votivbild des Ulrich Schwarz, Christus und Maria als Fürbitter vor Gottvater, um 1508
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Staatsgalerie in der Katharinenkirche, Augsburg
Die Ausstellung im Maximilianmuseum
Das „klaidungsbuechlin“, das durch eine Kooperation mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig an den Ort seiner Entstehungsgeschichte zurückkehren kann, ist das Herzstück der Ausstellung. Es gewährt einen Einblick in das Leben des wohl ersten Modebloggers der Welt. Die Ausstellung will aber auch den kulturgeschichtlichen Hintergrund seiner Entstehungszeit beleuchten. Kunstwerke berühmter Meister wie Albrecht Dürer, Hans Holbein d. Ä., Hans Daucher und Christoph Amberger bieten neben weiteren bedeutenden Leihgaben europäischer Sammlungen und Museen, ein Kennenlernen der Augsburger Stadtgeschichte im 16. Jahrhundert und der Reichsstädtischen Politik
Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog im Sandstein Verlag erschienen, der im Buchhandel und bei den Kunstsammlungen und Museen erworben werden kann.
Zu jeder Miniatur hat Matthäus Schwarz einen Kommentar verfasst.
Hören Sie selbst:
Mode im
16. Jahrhundert
Augsburger Geschlechtertanz, Augsburg, um 1575
Zu den wichtigsten gesellschaftlichen Ereignissen in der Reichsstadt Augsburg zählten vom frühen 14. bis zum späten 16. Jahrhundert die Geschlechtertänze. Veranstaltet wurden sie von der Herrenstube, der die Patrizierfamilien und die in diese Familien eingeheirateten "Mehrer" angehörten, die ebenfalls daran teilnehmen durften. Diese exklusiven Feste der politisch-sozialen Elite Augsburgs fanden in der Herrentrinkstube bzw. im städtischen Tanzhaus auf dem Weinmarkt bei St. Moritz statt, das dort von 1396 bis 1632 stand. Oft waren sie mit einem Turnier oder einem Festbankett verbunden. Die Musik lieferten die Stadtpfeifer.
Augsburger Geschlechtertanz, um 1570
© Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Maximilianmuseum
Hofkleiderbuch der bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Albrecht V., München 1508-1551
Das Hofkleiderbuch ist ein fast lückenloses Verzeichnis, das über den Zeitraum von 1508 bis 1551 die Hofgewänder der Wittelsbacher Herzöge Wilhelm IV. (1493–1550) und Albrecht V. (1528–1579) überliefert. Die wohl Herzog Wilhelm IV. darstellende Figurine trägt über einem halben Harnisch einen gegürteten roten Paltrock mit senkrechten Schlitzen auf der Brust und kurzen trichterförmigen Ärmeln, ferner rote Hosen mit schwarzen Kniebändern und an den Füßen geschlossene, breite Schuhe in Schwarz mit geschlitztem Wulst und Sporen. Den Kopf, über den eine rote Gugel mit rot-weiß-gelben Fransenborten gezogen ist, schmückt ein flacher, mit weißen Straußenfedern reich verzierter roter Hut mit breiter Krempe und goldener Kordel.
Hofkleiderbuch der bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Albrecht V., München 1508-1551
© Bayerische Staatsbibliothek, München
Albrecht Dürer, Das Liebespaar und der Tod, 1496/98
Mit großer Genauigkeit sind die Kleider des ungleichen Paares dargestellt. Sie trägt spitze Schuhe, ein Schleppkleid und darüber ein Brüstlein mit geschlitzten Ärmeln und einer Brosche am Busenansatz. Das in der Armbeuge leicht herausgezogene Hemd ist weit ausgeschnitten, sodass Dekolleté und Rücken freiliegen. Die umgelegte Goldkette verschwindet im Ausschnitt. Die Wulsthaube auf dem Kopf verweist auf ihren Stand als Ehefrau. Der Galan trägt geschlossene Schuhe und eine eng anliegende Hose. Der mächtige Dolch hängt direkt vor dem Hosenlatz.
Albrecht Dürer, Das Liebespaar und der Tod, 1496/98
© Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
Die Hornschuhe
vom Dachboden
von St. Anna
Repräsentative Festtagskleidung
Friedrich Hagenauer Bildnismedaillen auf Anton und Anna Fugger, Augsburg, 1527
Die Trauung von Anton und Anna Fugger im Beisein geladener Gäste erfolgte am 3. März 1527 – wohl im Fuggerhaus am Weinmarkt – mit festlichem Bankett und anschließendem Beilager. Höhepunkt der Feier war der 4. März, für den sich auch Matthäus Schwarz in Schale werfen konnte, hatte doch das Haus Fugger sämtliche Bedienstete mit repräsentativer Festtagskleidung ausgestattet (siehe unten Seite 86 des Büchleins).
Friedrich Hagenauer, Bildnismedaillen auf Anton und Anna Fugger, 1527
© Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Maximilianmuseum
Hans Holbein d. Ä., Bildnis Martin Weiß als Bräutigam, 1522
© Städel Museum, Franfurt
Hans Holbein d. Ä., Martin Weiß als Bräutigam, Augsburg, 1522
Der Ring und das Nelkensträußchen als Hochzeitssymbol verweisen auf den Kaufmann Martin Weiß, der am 12. Januar 1520 die Patrizierin Barbara Vetter geheiratet hatte. Holbeins feinmalerisches Porträt vermittelt einen anschaulichen Eindruck von der hohen Qualität und Verarbeitung gerade der Seidenstoffe, die im klaidungsbuechlin genannt werden, deren Aussehen jedoch in den kleinen Miniaturen oft nur zu erahnen ist.
Christoph Amberger, Hochzeitsbildnisse von David und Anna von Dettighofen, um 1533
© Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Maximilianmuseum
Christoph Amberger, Hochzeitsbildnisse von David und Anna von Dettighofen, um 1533
Dargestellt ist laut Inschrift ein 36-jähriger Mann, den seine kostbare Kleidung sowie seine Accessoires als Mitglied der Oberschicht ausweisen. David Dettighofen trägt ein weißes gefälteltes Hemd mit Stickereien am Kragen, darüber ein schlichtes schwarzes Wams. Signifikantes Attribut seines hohen gesellschaftlichen Ranges ist die dunkelbraune Schaube mit dem Marderfellkragen. Ferner trägt er kostbaren Schmuck, eine goldene Gliederkette, einen Siegelring und zwei Edelsteinringe.
Die junge Frau, Anna von Dettighofen, ist laut Inschrift 24 Jahre alt. Auch ihre Kleidung weist sie als Mitglied der Oberschicht aus. So trägt sie ein weißes gefälteltes Hemd mit perlenbesetzten Goldborten, dazu ein Brusttuch mit einer großflächigen goldenen Stickerei und ein rostbraunes Kleid, dessen Säume mit grünen breiten Samtstreifen besetzt sind. Das scheinbar zufällige Detail des umgeschlagenen rechten Ärmels lässt die sorgfältige Rüschung des weißen Untergewands und einen kostbaren Fellbesatz, vermutlich ebenfalls Marder, erkennen. Ihr Schmuck, die massive Goldkette mit der weißen Perle und die vier Ringe zeugen weiter von ihrem Reichtum und Stand.
Albrecht Dürer
als Modedesigner
des Hofes
Entwürfe einer Hoftracht
Albrecht Dürers um 1515 angefertigten Entwürfe einer Hoftracht dürften im Auftrag Kaiser Maximilians entstanden sein. Möglicherweise entstanden sie im Zusammenhang mit dem Wiener Fürstentag 1515 und der Doppelhochzeit zwischen den Habsburgern und den Jagiellonen, die Ungarn und Böhmen mit Österreich verband. Die prunkvolle Ausrichtung der Doppelhochzeit wurde von Jakob Fugger dem Reichen finanziert der selbst an der Feierlichkeit teilnahm. Angesichts der ungewöhnlichen Opulenz und Kostbarkeit der entworfenen Materialien lässt sich aber auch annehmen, dass die Skizzen lediglich als Bekleidungsstudien dienten und keine tatsächliche höfische Kleidung abbildeten.
Einfach nackt
Besonders bemerkenswert ist, dass sich der Fuggerbuchhalter in seinem klaidungsbuechlin nackt darstellen lässt.
Adam und Eva – Die Bildwürdigkeit des nackten Körpers
Die christliche Kunst gestattete nur bei sehr wenigen Themen die Darstellung des nackten männlichen und weiblichen Körpers. Seit der Spätantike erlaubte etwa die biblische Historie des Sündenfalls, mit Adam und Eva als Stammeltern der Menschheit, die Gestaltung ihrer unbedeckten Leiber. Albrecht Dürers Kupferstich „Adam und Eva“, der um 1504 entstand, zählt aufgrund seiner durchdachten Proportionen und der diffizilen Stichtechnik zu den Meisterwerken der europäischen Kunst. Narziss Renner nutzte das im Kupferstich mustergültig vorgeführte ikonische Element der Kontrapostpose Adams und macht sie zum Haupt-Standmotiv mit dem Matthäus Schwarz seine Mode präsentierte.
Albrecht Dürer, Adam und Eva, Kupferstich, 1504
© Kunstsammlungen und Museen Augsburg
Der Schlaganfall
"Dieses Bild ist
völlig anders."
Impressionen der
Ausstellung
Video-Führung
im Rahmen des
VHS-Programms
mit Dr. Christina von Berlin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin im Maximilianmuseum
MAXIMILIANMUSEUM
Fuggerplatz 1
D-86150 Augsburg
T +49 (0) 821 324 41 67 (Kasse/Shop)
Impressum:
www.augsburg.de
Kunstsammlungen und Museen Augsburg
Direktor: Dr. Christof Trepesch
Leitung strategische Kommunikation: Monika Harrer-Jalsovec M.A.
Maximilianmuseum: Dr. Christoph Emmendörffer (Leiter und Ausstellungskurator), Dr. Christina v. Berlin (wissenschaftliche Mitarbeit)
Ausstellungsgrafik: Bettina Müller-Arends, cynar visuelle communication
Website: Waldmann & Weinold, Kommunikationsdesign
Sprecher: Klaus Müller
Sprachaufnahme: audiobooking, Heiko Schlachter
Bildnachweis:
Kunstsammlungen und Museen Augsburg und wie angegeben.
Abbildungen Kleidungsbüchlein: "klaidungsbuechlin" des Matthäus Schwarz, Augsburg 1520-1560
© Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig