Kunstschätze der Zaren – Meisterwerke aus Schloss Peterhof

Schloss Peterhof, das „russische Versailles“, war einst die Sommerresidenz der russischen Zaren. Ab dem Jahr 1714 ließ Peter der Große in der gleichnamigen Stadt an der Newabucht des Finnischen Meerbusens, ca. 30 km westlich des Stadtzentrums von Sankt Petersburg, einen weitläufigen Palastkomplex mit einer großen, direkt an die Küste angrenzenden Parkanlage erbauen. Seine Konzeption war inspiriert durch westeuropäische Schlossanlagen, wie Peter sie auf seinen Reisen hatte besichtigen können. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage beinahe vollständig zerstört – den Mitarbeitern des bereits damals als Museum genutzten Komplexes gelang es jedoch, zahlreiche der wertvollen Ausstattungsgegenstände und Kunstwerke zu evakuieren. Bereits 1947 begannen umfangreiche Rekonstruktionsarbeiten.


Heute vermittelt Schloss Peterhof – seit 1990 Weltkulturerbe der UNESCO – wieder einen umfassenden Eindruck der höfischen Kunst sowie Wohn- und Tischkultur im Russland und Europa des 18. Jahrhunderts. Die Ausstellung vereint eine repräsentative Auswahl der in Schloss Peterhof aufbewahrten und ausgestellten Objekte, darunter Gemälde aus dem Lustschloss Monplaisir, wo Peter der Große die erste profane Gemäldesammlung Russlands aufbewahrte, eine festlich eingedeckte Tafel des höfischen Zeremoniells sowie zahlreiche kunsthandwerkliche Objekte. Die einmalige Präsentation erlaubt so einen Einblick in die reiche Ausstattung der Sommerresidenz der Zaren und verdeutlicht gleichzeitig die Bedeutung der Kunst des Barock und Rokoko als international geprägten Stil, wie er auch in der Architektur und der Ausstattung des Schaezlerpalais sichtbar ist.

Peter I. (1672 – 1725)

Peter I. war von 1682 bis 1721 Zar und Großfürst von Russland und ab 1721 der erste Kaiser des Russischen Reichs. Die Bezeichnung „der Große“ erhielt er aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten als Politiker, Heerführer und Reformer. Die von ihm konzipierten Modernisierungsmaßnahmen betrafen praktisch alle öffentlichen und privaten Lebensbereiche. Während seiner Regierungszeit stieg Russland in die Reihe der Großmächte Europas auf.

Peterhof sollte das Symbol dieses neuen Russlands sein. Die Entscheidung zum Bau der Residenz fiel im Jahr 1714. Die sogenannten Oberen Palais (später Großer Palast) und das vom Kaiser bevorzugte Schlösschen Monplaisir (frz. mon plaisir – mein Vergnügen) bildeten den Anfang des Palast- und Parkkomplexes. Zum Ende der Regierungszeit Peters I. umfasste die Anlage mehrere Schlösser und Pavillons, den Oberen und Unteren Park sowie 16 Fontänen und Wasserspiele.

Den kulturellen Anschluss an das westliche Europa suchend, entstanden bereits unter Peter I. umfangreiche Kunstsammlungen in den Palästen von Peterhof, so etwa die erste Gemäldesammlung Russlands. Ebenso fanden Raritäten traditionell russischer Handwerkskunst Eingang in die Kollektion. Diese Objekte gehören heute zu den bedeutendsten Stücken der Sammlung des Staatlichen Museums Peterhof. Eine repräsentative Auswahl dieser Kunstwerke bildet den Auftakt der hier präsentieren Ausstellung.

 

Unbekannter Künstler,
in Anlehnung an Louis Caravaque,
Porträt Peters I., Russland, Mitte 18. Jh. / erstes Viertel 19. Jh.
© The Peterhof State Museum Reserve

Kästchen, Johann Mann (1679–1754), Deutschland, Augsburg, 1719
© The Peterhof State Museum Reserve

 

Modell des Segelboots von Peter I.,
Monogrammist "N. M.", Russland, St. Petersburg, 1754
© The Peterhof State Museum Reserve

Anna Iwanowna (1693–1740)

Nach dem Tod Peters I. im Jahr 1725 folgte eine kurze Herrschaft seiner Frau Katharina I. (reg. 1725–1727), gefolgt von seinem Enkel Peter II. (reg. 1727–1730), der jedoch jung – im Alter von nur 14 Jahren – verstarb. Während dieser Zeit stand der Palast von Peterhof für einige Jahre leer.

Die danach an die Macht gekommene Kaiserin Anna Iwanowna (reg. 1730–1740), eine Nichte Peters I., strebte danach, sich als würdige Nachfolgerin ihres Onkels zu zeigen. Sie ließ die Bautätigkeiten in Peterhof wiederaufnehmen. Eine der bedeutendsten Maßnahmen zu dieser Zeit war die Einrichtung der Hauptfontäne der Großen Kaskade. Der Architekt Bartolomeo Francesco Rastrelli (1700–1771) entwarf hierfür die zentrale Plastik „Samson und der Löwe“. Die Figur wurde Peter dem Großen gewidmet, der in der Schlacht bei Poltawa am 8. Juli 1709, dem Tag des heiligen Sampson von Konstantinopel, die Schweden, auf deren Wappen ein goldener Löwe prangte, vernichtend geschlagen hatte.

Louis Caravaque (1684–1754) (?), Porträt der Kaiserin Anna Iwanowna, Russland, 1740er Jahre
© The Peterhof State Museum Reserve

Elisabeth Petrowna (1609–1762)

Mit dem Namen Elisabeth Petrownas (reg. 1741–1762) ist die Blüte des Barockstils in Russland verbunden. Die Zarin behielt nicht nur das von ihrem Vater Peter I. Geschaffene bei – sie ließ auch die Oberen Palais durch den Architekten Bartolomeo Francesco Rastrelli ausbauen. Auf diese Weise entstand der Große Palast in seiner heutigen majestätischen Gestalt.

Während der Herrschaft Elisabeths setzte sich der Aufstieg Russlands in Kunst und Wissenschaft fort. So wurden die Moskauer Universität, die Akademie der Wissenschaften, eine Vielzahl von Gymnasien und die Akademie der Künste in St. Petersburg eröffnet.

In ihre Regierungszeit fällt auch der Beginn der Porzellanherstellung in Russland. Der an der 1744 gegründeten Newa-Porzilin-Manufaktur (ab 1765 Kaiserliche Porzellanmanufaktur) tätige Wissenschaftler Dmitri Iwanowitsch Winogradow (1720–1758) entwickelte ein Rezept zur Produktion einer Masse für weißes Hartporzellan. Zudem konstruierte er Mitte der 1750er Jahre einen Brennofen zum Brand größerer Stücke, mit dem es möglich wurde, umfangreiche Ensembles wie etwa das „Private Tischservice“ Elisabeth Petrownas herzustellen, das für Galaempfänge der Kaiserin bestimmt war. Die damals entstandenen Objekte erlauben einen Einblick in die Hofkultur der kaiserlichen Residenz zu Elisabeths Regierungszeit.

Charles-André van Loo (1705–1765), Porträt der Kaiserin Elisabeth Petrowna, Frankreich, 1760
© The Peterhof State Museum Reserve

 

Ein Paar zweiarmige Kerzenleuchter,
Johann Friedrich Köpping (?–1783), Russland, St. Petersburg, 1748/1751
© The Peterhof State Museum Reserve

Drei Pokale mit Doppeladler und Initialen der Kaiserin Elisabeth, Russland, St. Petersburg, Petersburger Glasmanufaktur, 1750er Jahre
© The Peterhof State Museum Reserve

Peter III. (1728–1762)

Tragisch war das Schicksal von Kaiser Peter III. (reg. 1762), der nur ein halbes Jahr regierte. Der holsteinische Prinz war ein Sohn Anna Petrownas, der älteren Tochter von Peter dem Großen. Von seiner Tante Elisabeth Petrowna nach Russland geholt, verweilte er dort als Großfürst Peter Fjodorowitsch für lange 19 Jahre als Thronfolger. Das unweit von Peterhof gelegene Schloss Oranienbaum machte er zu seiner offiziellen Sommerresidenz.

Dank seiner Bemühungen wurde dort eine aktive Bautätigkeit aufgenommen. Seinem von ihm überaus verehrten Großvater Peter I. nacheifernd, beschäftigte sich der zukünftige Kaiser begeistert mit Militärübungen, studierte den Festungsbau und sammelte Kunstgegenstände und Waffen. Die Gegenstände aus dem Privatbesitz des Kaisers geben eine Vorstellung über den Geschmack und die Vorlieben ihres Besitzers sowie über die Atmosphäre am damaligen Großfürstenhof.

Oranienbaum wurde für Peter Fjodorowitsch zu einer Zufluchtsstätte, zu seinem privaten „Reich“, wo er nach eigenen Vorstellungen lebte und regierte. Im Sommer 1762, als er vom Treuebruch seiner Gattin Katharina Alexejewna und von der Palastrevolution erfuhr, unterschrieb er in Oranienbaum seinen Verzicht auf den Thron. Kurz nachdem er für immer seinen liebsten Wohnsitz verlassen hatte, wurde Peter III. ermordet.

Unbekannter Künstler, nach einem Original von F. S. Rokotow, 1758, Porträt Peters III., Russland, Ende 18. Jh./Anfang 19. Jh.
© The Peterhof State Museum Reserve

Besteckgarnitur, Abraham Warnberger IV. (1716–1793), Deutschland, Augsburg, 1755/1757
© The Peterhof State Museum Reserve

Höfische Wohnkultur im 18. Jahrhundert

Die hier präsentierten Tapisserien sind das Hauptelement der Ausstattung des in den 1740er Jahren nach Plänen Rastrellis errichteten Assemblée-Saals von Monplaisir. Die Wandbehänge wurde in den 1720er bis 1740er Jahren in der Petersburger Tapisseriemanufaktur gewebt. Sie sind eine russische Interpretation der französischen Gobelin-Serie „Les Tentures des Indes“ („Indische Teppiche“), die nach Vorlagen der niederländischen Künstler Albert Eckhout (um 1607– 1665/66) und Frans Post (um 1612–1680) entstand. Acht Gobelins dieser Serie, die Peter I. bei seinem Besuch in der Pariser Gobelin-Manufaktur 1717 als Geschenk erhielt, dienten als Muster für die Tapisserieherstellung in der Petersburger Manufaktur.

Ein Ehrenplatz in der Geschichte Peterhofs gebührt auch dem sogenannten „Husk-Service“ aus rahmfarbenem Steingut, der sogenannten Creamware. Im Auftrag Katharinas II. wurde es vom englischen Keramiker Josiah Wedgwood (1730–1795) geschaffen. Es gilt als das bedeutendste Steingut-Ensemble in der Sammlung. Das Husk-Service wurde zunächst für Galaempfänge im Winterpalast in St. Petersburg verwendet, bis es schließlich 1841 nach Peterhof gebracht wurde. Im Laufe der Zeit wurde das Service durch Teile aus der Produktion der Petersburger Manufakturen F. Ch. Ginter, S. Poskotschin und A. Otto ergänzt und erweitert.

 

Wandteppich "Afrika",
Russland, St. Petersburg, Petersburger
Tapisseriemanufaktur, 1733/1743
© The Peterhof State Museum Reserve

Pietro Antonio Rotari (1707–1762), Mädchen mit Hut und Mädchen auf einem Stuhl, Russland 1756/1762
© The Peterhof State Museum Reserve

Katharina II. (1729–1796)

Die Herrschaft Kaiserin Katharinas II. (reg. 1762–1796) ging als Goldenes Zeitalter in die Geschichte Russlands ein. In ihr, die sich zur Nachfolgerin Peters I. erklärte und bereits zu Lebzeiten „die Große“ genannt wurde, verband sich die Neigung zum Vergnügen mit ausgeprägtem Fleiß und monarchische Erhabenheit mit Bescheidenheit im Alltag. Zu ihrer Zeit wurde das Kaiserreich wesentlich vergrößert und die internationale Bedeutung Russlands festigte sich.

In Oranienbaum schuf der Architekt Antonio Rinaldi (1709–1794) für die Kaiserin ein umfassendes architektonisches Ensemble im Stil des Rokoko. Neben der „Eigenen Datscha“ und dem Chinesischen Palast entstand so der Katalnaya gorka-Komplex (dt. „Rutschberg“), der neben einem Pavillon auch einen sogenannten „Russischen Berg“ – einen frühen Vorläufer moderner Achterbahnen – umfasste. An der Ausstattung der Bauten in Oranienbaum waren russische und ausländische Meister beteiligt. So wurden etwa die beiden Supraporten „Neptun“ und „Nymphe“ durch den aus Italien stammenden Maler Stefano Torelli (1712–1784) für den Runden Saal im Katalnaya gorka-Pavillon angefertigt.

Zwar ließ auch Katharina II. zahlreiche Gegenstände im Ausland erwerben, förderte jedoch im Sinne Peters des Großen ebenso das Kunsthandwerk vor Ort, wie etwa die Steinschleiferei. Eine Garnitur von Lapislazuli-Vasen aus der Peterhof-Sammlung illustriert die virtuose Beherrschung dieser Kunst.

 

Vigilius Eriksen (1722–1782),
Porträt Katharinas II. vor einem Spiegel, Russland, 1764
© The Peterhof State Museum Reserve

Fächer "Tanzendes Paar", Frankreich, 1760er Jahre
© The Peterhof State Museum Reserve

Garnitur aus drei Lapislazuli-Vasen, Russland, Peterhofer Steinschleifmanufaktur (?), 1787/1800
© The Peterhof State Museum Reserve

Kunst und Kunsthandwerk unter Katharina II.

Unter Katharina II. ereigneten sich wichtige Veränderungen im künstlerischen Leben Russlands. Die bereits seit der Zeit Peters I. eingeführten staatlichen Maßnahmen und Förderungen brachten innerhalb kurzer Zeit eine ganze Reihe hervorragender Meister und unterschiedlicher Kunstschulen hervor.

Damit war beispielsweise die Kaiserliche Porzellanmanufaktur in St. Petersburg bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Lage, den Bedarf des russischen Kaiserhofs voll abzudecken. Selbst in Meißen geschaffene Ensembles wie das „Jagd-Service“ und das „Service für den täglichen Gebrauch“ konnten nun auf qualitativ adäquatem Niveau ergänzt werden. Die größte Aufmerksamkeit verdient die Arbeit des Modelliermeisters Jean-Dominique Rachette (1744– 1809). Zu seinen bekanntesten Werken zählen der Tafelaufsatz für das „Arabesken-Service“, von dem ein Teil – die Plastik „Militärische Stärke“ – in der Ausstellung zu sehen ist, sowie die Figuren der Serie „Völker Russlands“.

Eine besondere Bedeutung kommt den Objekten aus dem privaten Besitz Katharinas II. zu: Von russischen Tischlern stammt ihr Thronsessel, der nach französischen Vorbildern geschaffen wurde. Ebenfalls von russischen Meisterinnen stammen die aus Stroh gefertigten und mit Seidengarn und Stiftperlen bestickten Paneele aus dem Schlafgemach des Großfürsten Paul Petrowitsch im Chinesischen Palast von Oranienbaum.

Sessel, Jacques Jean-Baptiste Tilliard II. (1723–1798), Frankreich, Paris, 1765/1770
© The Peterhof State Museum Reserve

 

"Militärische Stärke" aus dem Surtout de table des Arabesken-Tafelgeschirr
(nach einem Modell von Antoine-Jacques-Jean-Dominique Rachette),
Russland, St. Petersburg, Kaiserliche Porzellanmanufaktur, 1784
© The Peterhof State Museum Reserve

 

Panneau (eines der sieben Einzelteile), Russland, St. Petersburg,
Werkstatt Maria de Chele, 1762/1764
© The Peterhof State Museum Reserve

Pot-à-oille mit Einsatz und Présentoir, Silber, gegossen, getrieben, ziseliert, graviert, punziert
© Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Maximilianmuseum, Ankauf aus dem deutschen Kunsthandel mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung

Ansicht der Gartenfassade von Schloss Peterhof, bez. "Peterhoff, Kaiserlicher Land Palast bey Petersburg" / "Peterhoff, Palais Imperial de Campagne près Petersbourg"
© Andreas Brücklmair, Augsburger Privatbesitz

SCHAEZLERPALAIS
Maximilianstraße 46
D-86150 Augsburg
T +49 821 324 41 02

Impressum:
Stadt Augsburg
Kunstsammlungen und Museen Augsburg
Direktor: Dr. Christof Trepesch
Öffentlichkeitsarbeit: Frank Albert M.A.

Projektleitung: Julia Quandt M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeit: Nicole Hofmann M.A.

Design: waldmann-weinold.de
Technische Umsetzung: mpunkt GmbH

Bildnachweis:
falls nicht anders angegeben: © The Peterhof State Museum Reserve