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23.07.–26.09.2021 in Halle 1 – Raum für Kunst im Glaspalast
In ihrer jüngsten Werkgruppe befasst sich die australisch-amerikanische Künstlerin Denise Green (*Melbourne 1946, lebt und arbeitet in New York) mit Formen des Erinnerns.
Ausgangspunkt für eine Serie von 33 Collagen, die bislang noch nicht gezeigt wurden, ist ein vor Kurzem aufgetauchtes Fotoalbum ihres Vaters, der während des 2. Weltkrieges in der australischen Armee diente. Dieses für sie folgenreiche Schlüsselerlebnis setzte einen inneren Prozess in Gang, der zum einen die Aufarbeitung traumatischer Kriegserlebnisse des Vaters, zum anderen die dadurch verursachten seelischen Krisen der Künstlerin selbst, wie ihre Erfahrungen mit der Alzheimer-Erkrankung ihres Mannes in einem komplexen Bildgefüge ineinander verschränkt.
Aus dieser tief empfundenen emotionalen Gemengelage heraus hat Green Fragmente der entdeckten Fotografien erstmals mit eigenen Zeichnungen collagiert. In deren künstlerischer Kernaussage geht es weniger um die Erzählung selbst, um das konkret benennbare Einzelereignis also, als vielmehr um Strukturen und Phänomene belasteten Erinnerns ganz grundsätzlich:
„Ich fühlte mich zu einzelnen Bildern aus der Kriegszeit meines Vaters hingezogen und begann zu verstehen, dass ich mich durch das Arbeiten mit ihnen und ihr Kombinieren mit meinen eigenen Zeichnungen auch mit der fortschreitenden Alzheimer-Krankheit meines Mannes auseinandersetzte. Ich war mir dessen damals noch nicht bewusst, aber es berührt mich jetzt, dass ich zu einer Bildsprache von Zusammenbruch und Zerstörung kam. Eine fort-schreitende Erkrankung wie Alzheimer mitzuerleben heißt, ein Trauma ohne Ende zu erfah-ren, und es war etwa um diese Zeit, dass der Prozess des Zeichnens eine große Quelle für mich wurde.“
Das persönlich nachempfundene, kollektive Kriegstrauma sowie ein wieder Heranzoomen eigener familiärer Vergangenheitsbewältigung erfolgen bei Green in existenzieller Form. Das Verschwimmen, die Eintrübung oder gar Abwesenheit des Erinnerungsvermögens wird darin künstlerisch mit seiner vollen Funktionsfähigkeit gleichgestellt. Vor diesem Hintergrund ist How We Remember weniger der Versuch eines persönlichen Resumées der eigenen Geschichte, als vielmehr und vor allem des künstlerischen Umgangs mit ihr. Gewissermaßen ein künstlerischer Selbstversuch, der Fehlstellen als ‚Fehler‘ bewusst einschließt.
Eine Ausstellung des H2-Zentrum für Gegenwartskunst zu sehen in Halle 1 im Glaspalast.
Zur Ausstellung erscheint ein 90-Seitiger Katalog mit Abbildungen aller ausgestellter Werke und Aufsätzen der Kunsthistoriker Dr. Christof Trepesch und Dr. Thomas Elsen, sowie von Denise Green (19,80 Euro).
Die Ausstellung entstand mit freundlicher Unterstützung der Australischen Botschaft Berlin und dem US-Konsulat München.
On view July 22 through September 19, 2021
At the heart of Denise Green’s latest work, are historical small-format photographs that belonged to her father, Richard James Green. As a participant in the Second World War in the Australian Army Medical Corps, he witnessed devastating war scenes. His photographs capture nighttime air raids in Alexandria, lines of Italian P.O.W.’s moving across the Libyan desert, bombed buildings collapsing, and citizens recovering bodies from destroyed homes.
Green uses these photos as a starting point for this body of creative work, thus transferring her father’s traumatic experiences from the past to the present. They become pictorial mementos: fragments of memory, catapulted into the present and creating a very personal memorial for her father. Green’s 33 photo collages and one large-scale watercolor on paper will be exhibited in Augsburg for the first time.
The interspersed drawings appear like disruptions in the artist’s collages – they mark the blanks of memory and verifiable knowledge. She says, “The drawings were not made as a response to the photographs. In fact, many were not even made with the photographic image in mind. Further-more, they emerge from a state of mind that is different that the elegiac one on the photographs.”
This is Green’s second exhibition in Augsburg, following her 2011 exhibition at the Neue Galerie im Hömannhaus, “Denise Green: After Ju Chao, Ju Lian, Richter, Wiebke, LeWitt, Albers, Manet”. Her works in that exhibition, including the monumental site-specific wall painting “Elle”, reflected her color perception and her mental cosmos, and achieve a unique effect in the interplay between spatial thinking, conceptual rigor and artistic intuition.
Denise Green was born in Melbourne, Australia in 1946. Her first artistic experiences were in Paris at the end of the 1960’s – where she attended the Ecole des Beaux Arts. In 1969, she moved to New York where her painting developed further under the influence of artists such as Mark Rothko and Ralph Humphrey. She was also inspired by Joseph Beuys and Joel Shapiro. She received international recognition in 1978 when she took part in the “New Image Painting” show at the Whitney Museum of American Art in New York. Since then, there have been retrospective museum exhibitions of her work in the US, Germany, Poland, Hungary, Austria and Australia. In 2012 she began introducing photography in her work and further develops her process with this current exhibition.
Accompanying the exhibition is a 90-page full color catalog designed by Felix Weinold, including essays by art historians, Christof Trepesch and Thomas Elsen, as well as by Denise Green. Support for “Denise Green: How We Remember” comes from the Australian Embassy in Berlin and the U.S. Consulate in Munich.
Zusammengestellt von // Compiled by Denise Green